Aktuelle Seite: Startseite > Schwerpunkt > Berichte > 06 Messtechnik - Teil 2/Aufbau diverser Interferometer > F079A * Das Spiel mit dem Abstand
Beim Test eines Parabol-Spiegels bis 600 mm und mehr kann der Spiegel auch sehr genau in einem Kompensations-Testaufbau geprüft
werden. Dabei wird die sphärische Aberration, die die Rotationskörper von Parabel (Ellipse und Hyperbel) im Krümmungsmittelpunkt
haben, über die entgegengesetzte Aberration einer großen plan-konvex-Linse "kompensiert", also auf Null reduziert. Das geht auch
mit einem Kugel-Spiegel. Während die Kompensation einer F/5 bis F/6 Parabel noch unkritisch ist, muß man bei diesem F/3.64 Öffnungs-
verhältnis sorgfältig alle Parameter einhalten, damit man zum richtigen Ergebnis kommt. Da dieser Testaufbau jedoch abhängig ist
a) von einer genauen Plankonvex-Linse und ihren optischen Daten und b) vom genauen Abstand der Linse zum Parabolspiegel, ist eine
Gegenprüfung unbedingt erforderlich, besonders wenn dieser Spiegel z.B. deutlich unterkorrigiert ist. Man kann sich am Himmel mit
einem Ronchi-Test vergewissern, oder man prüft zunächst gegen einen 400 mm Planspiegel, ob die Unterkorrektur bei diesem Durch-
messer bereits eindeutig vorliegt. Einen unterkorrigierten Spiegel kann man jederzeit retouchieren, damit er schließlich parabolisch
ist. Man hätte anschließend einen preisgünstigen perfekten Newton-Spiegel. Siehe auch: Kompensation gegen Sphäre
Die Flächen von Ellipsoid, Paraboloid und Hyperboloid lassen sich also über ein Kompensations-Verfahren in einem Null-Test prüfen. Der
Vorteil dabei ist, daß man z.B. für ein Paraboloid oder einen Parabolspiegel nicht unbedingt einen gleichgroßen Planspiegel braucht - eine
optisch hochwertige Plankonvex-Linse mit den optischen Daten wäre also ebenfalls geeignet. Im vorliegenden Fall handelt sich sich
leider um einen heftig unterkorrigierten Newton-Spiegel. Dieser Sachverhalt nährt zunächst starke Zweifel, ob die Abstandberechnung
über ZEMAX stimmt, ob alle Parameter richtig eingetragen sind etc. . Um sich hinsichtlich Unterkorreketur Klarheit zu verschaffen, hilft
ein Test in Autokollimation gegen meinen 400 mm Planspiegel, ob denn bereits bei 400 mm ebenfalls Unterkorrektur zu beobachten ist,
und das ist tatsächlich bereits der Fall. Den gleichen Test könnte man am Himmel, oder gegen eine Flüssigkeits-Oberfläche durchführen,
Auch hier würde man dann die Unterkorrektur gut nachweisen können. Für visuelle Ansprüche wird man den Spiegel nach-retouchieren
lassen, für die Astrofotografie würde man das nur bedingt merken. Statt sich am Strehlwert festzubeißen, ist die praxis-orientierte
Frage sinnvoll, wofür man diesen lichtstarken Spiegel eigentlich verwenden will.
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Wird beim Bath-Interferometer ein Lasermodul von 532 nm wave verwendet, dann muß ZEMAX den Testaufbau in dieser Wellenlänge
durchrechnen. In den optischen Daten geht weiterhin ein, die Dicke der BK7-Linse, der HS-Durchmesser von 495/2 (=Halbdurchmesser)
und als wichtigsten Abstand Linsenscheitel zu Parabelmitte von knapp 2700 mm. Mit diesem Abstand kann man bei den Spiegeldaten
des 20-Zöllers perfekte parallele Streifen erwarten - wenn denn der Spiegel "perfekt" retouchiert worden wäre, was er aber nicht ist.
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Nachgeschoben die optischen Daten der von mir verwendeten BK7 Linse, damals von Alois Ortner hergestellt, einem herausragenden
Feinoptiker. Er hat sich damals ebenfalls eine derartige Linse hergestellt.
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Der Abstand HS-Linse ist also 2700 mm. Das 10 m Maßband liegt auf einer Holzlatte und berührt rechts die Spiegelmitte.
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Von der linken Seite mißt ein besserer Zollstock den Abstand vom Linsenscheitel bis zur 2 Metermarke meines Bandmaßes. Eine Toleranz
von 1 mm würde diesen Testaufbau nur marginal stören - es wäre also hinreichend genau.
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Dieses Ergebnis ist überraschend, weil dieses Interferogramm einen deutlich unterkorrigierten Spiegel zeigt mit Scale = 1 (Wave/Fringe)
In Autokollimation mit Scale = 0.5 wäre das weniger schlimm.
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Noch deutlicher zeigt das Ronchi-Bild 13 lp/mm intrafokal daß man es tatsächlich mit einer Unterkorrektur zu tun hat. Gerade senkrechte
Streifen wären zu erwarten.
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In einem solchen Fall verlagert sich viel Energie in die Beugungsringe und das Maximum sinkt deutlich nach unten. Für die Fotografie wäre
das immer noch tauglich, auf den Rohbildern merkt man es zunächst nicht, weil keiner den Durchmesser der Sternscheibchen nachmisst.
Nur bei visueller Benutzung z.B. der Planeten-Beobachtung wäre man bei hoher Vergrößerung nicht zufrieden.
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Es ist also ein niedriger Strehlwert und PV L/1.5 unterkorrigiert.
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Weil der Abstand L-HS für den unterkorrigierten Hauptspiegel offenbar zu kurz ist, kann man auf einfache Art den Linsen-Abstand nach
links solange vergrößern, bis die zu erwartenden geraden Streifen herauskommen. Das trifft schließlich bei Abstand L-HS = 2732 mm zu,
die ursprüngliche Unterkorrektur ist verschwunden. Das ist deshalb auch der Grund, warum der Kompensations-Test kein echter Null-Test
ist und nur verläßlich ist, wenn alle Parameter richtig eingesetzt worden sind.
Der Kompensations-Testaufbau ist leider kein absoluter Null-Test, sondern abhängig u.a. von der conischen Konstanten, die bei einer
richtig korrigierten Parabel eigentlich - 1 sein sollte und dann die Streifen waagrecht und gerade sein sollten. Bei welchem Abstand
erfüllt denn das IGramm diese Bedingung: Und deswegen muß man den Linsen-HS-Abstand solange vergrößern, bis die erwünschten
gerade Streifen im IGramm zu sehen sind: Bei 2732 mm, also 32 mm länger als vorher, stellte sich diese Situation dann ein. Über ein
kontrolliertes Verschieben der Linse geht das vergleichsweise ohne größere Probleme. Jetzt ist die conische Konstante aber bei
- 0.913958 und damit ein weiterer Hinweis auf die Unterkorrektur.
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Am Metall-Bandmaß kann man dann bei 2 Meter und dem Zollstock das Gesamtmaß mit 2732 mm ablesen. Das ist wiederum interessant,
weil dies ein relativ kleiner Betrag ist, der offenbar mit dem gro0en Öffnungsverhältnis des HS von 3.64 mm zu tun hat. Das bedeutet, daß
man sehr sorgfältig diesen Abstand Linse-HS rechnen und beim Testaufbau nachmessen muß und demzufolge die Toleranz in diesem Fall
im Bereich von 1 mm liegen muß. Bei F5 oder F6 Spiegeln wäre die Toleranz im Bereich von 10 mm.
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So sollten die Interferenz-Streifen eigentlich bereits zu Beginn aussehen - man kann es aber korrigieren bzw. nach-retouchieren. In
Deutschland haben wir Gottseidank solche fähigen Spiegelschleifer mit sehr viel Bodenhaftung.
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Jetzt würde ein solcher nach-retouchierter Spiegel auch visuellen Ansprüchen genügen, wobei in Europa bei einem 20-Zoll Newton
kaum Vergrößerungen von 400-fach realisiert werden können, wenn die Abbildung "scharf" sein soll.
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Ein solch hoher Strehlwert für visuelle Beobachtung ist wünschenswert, für die Fotografie genaugenommen gar nicht
erforderlich - wenn man nicht gerade ein forenbekannter Experte ist ohne Bodenhaftung und Praxiserfahrung.
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Auch eine Art Gegenprobe gegen einen 400 mm Flat, die prinzipiell ebenfall die Unterkorrektur zeigen muß.
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Noch deutlicher erkennbar am Ronchi-Bild 13 lp/mm intrafokal. Somit erhärtet sich die Diagnose, daß dieser Spiegel nachgearbeitet
werden muß.
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Würde sich der Strehlwert von 0.877 auf die 500 mm beziehen, könnte man mit diesem Spiegel gut leben. So muß er für ca. 1 Kilo-Euro
nachgearbeitet werden.
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