F070 BeobachtungsPraxis Astigmatismus - wie groß darf er seinVeröffentlicht: Sonntag, 15. Juni 2014 13:28 Die Plazierung dieses Beitrages in den Bereich Astronomie allgemein entspricht meiner Einschätzung, daß es bei dieser Thematik um reine Beobachtungs-Praxis geht und nicht um die Meßtechnik. Wie groß darf ein Astigmatismus eigentlich sein? Im Labor läßt sich am künstlichen Stern bei hoher Vergrößerung der Astigmatismus deswegen leicht erkennen, weil man dort bei bestem Seeing auch den ersten Beugungs-Ring sieht. Ist dieser nicht geschlossen, wäre das u.a. ein Hinweis auf Astigma- tismus. Bis PV L/5 oder Strehl bis ca. 0.93 würde man diesen Fehler am Sterntest erkennen. Diese Möglichkeit hat man bei der praktischen Beobachtung am nächtlichen Himmel in der Regel nicht, wenn man nicht gerade bestimmte Testobjekte hat, mit deren Hilfe man die Qualität einer Optik etwas besser einschätzen kann. Bei Newton-Spiegel taucht diese Diskussion häufiger auf, aber auch hier besteht unter europäischen Seeing-Bedingungen das gleiche Problem, daß man visuell nicht einschätzen kann, wie hochwertig bzw. schlecht ein Spiegel ist. Bei Refraktor-Optiken, besonders bei Apochromaten erwartet man, daß im Zertifikat der Astigmatismus als isolierter Fehler nicht mehr als ca. 2% Strehlpunkte hat, damit bei einem APO die Summe aller Fehler trotzdem einen Strehl von 0.95 zuläßt. Unter Beobachtungs- Bedingungen wiederum würde man zwischen einem Strehl von 0.99 und 0.95 kaum unterscheiden können - oft ist es noch weniger, wie man an Reklamations-Fällen gut einschätzen kann. Trotzdem ist gerade in diesem Bereich der Widerspruch zwischen Qualitäts-Anforderung auf der einen und der tatsächlichen Praxis- tauglichkeit auf der anderen Seite besonders groß. Wenn ein Objektiv nicht gerade getestet wurde bzw. ein Certifikat besitzt, wie merkt man denn überhaupt, ob beispielsweise ein signifikanter Astigmatismus vorhanden ist, den man reklamieren müßte. Die folgende Übersicht macht den Versuch, das zu quantifizieren, was für die praktische Beobachtung erforderlich ist. Und das ist oft wesentlich weniger Definitions-Helligkeit bzw. Strehlwert, als man in Forenbeiträgen behauptet. Die Thomas Back Definition für APO's findet man hier, aber auch sie gilt eher für's Labor und weniger für die Praxis. Die folgende Übersicht macht den Versuch, den Astigmatismus in Beziehung zu setzen zum Airy-Disk-Durchmesser, zum Fokusbild plus erstem Beugungsring, zur Energie-Verteilungs- Funktion und zum PV- und Strehlwert. Den Darstellungen mit dem Programm "Aberrator" fehlt dieser Zusammenhang. Dieser Beitrag zielt darauf, was man beobachten kann, und nicht darauf, was man messen kann. Dabei gehe ich von der Annahme aus, daß man einen Astigmatismus bis zu L/3 PV der Wellenfront unter Beobachtungsbedingungen noch kaum wahrnimmt. Eine Gegenüberstellung von : Artificial Sky - konzentrisches IGramm - normales IGramm - Übersicht: Artificial Sky Am Himmel wahrnehmen wird man in der Regel nur den Astigmatismus der Grundordnung, also Zernike #4 und #5. Der Zernike Zoo Darstellen läßt sich das u.a. an einem Kugelspiegel im Krümmungsmittelpunkt durch schrittweise Verspannung. Dabei ist die Beurteilung des 1. Beugungs-Ringes ausschlaggebend. A) ist der 1. BeugungsRing nahezu geschlossen, dann liegt der PV-Wert für Astigmatismus in der Gegend von L/8 und wird nicht wahrgenommen. B) bei etwa PV L/3 wird dieser Astigmatismus unter günstigen Seeing-Bedingungen wahrgenommen. Der erste BeugungsRing wird kreuzförmig geteilt. C) Bei stärkerem Astigmatismus wäre der 1. BeugungsRing und weitere eindeutig in Kreuzform geteilt. Damit läßt sich ein signifikanter Astigmatismus von einem unbedeutenden Astigmatismus unterscheiden. Dies betrifft in erster Linie die Zern.Koeffiz. Nr. 4/5. Astigmatismus höherer Ordnung wird man auf diese Art nicht mehr wahrnehmen. Eiindeutig ist auch die elliptische Verformung der konzentrischen InterferenzRinge, sowie die ansteigenden Streifenabstände der normalen IGramme. Der gleiche Ausschlußtest am Beispiel eines 12-Zoll f4 NewtonSpiegels Um dem Astigmatismus auf die Spur zu kommen, wäre bei perfektem Fangspiegel und Justage des Newtons eigentlich nur der Himmel selbst die ultimative Testmöglichkeit, ob man einen Astigmatismus feststellt. Und da nur große Firmen wie LZOS für diese Zwecke einen senkrechten Vakuum Turm benutzen, steht in meinem Fall der Spiegel in seiner Halterung und besonders dünne Spiegel zeigen dann den bekannten Lagerungs-Astigmatismus. Auch die Thermik zwischen Spiegel und Lichtquelle erzeugt über die Luftbewegung dauernd ein Pendeln um den Null-Punkt, und das wäre dann das beste Ergebnis oder die Aussage: Dieser Spiegel hat nur einen unbedeutenden oder keinen Astigmatismus. (Letzteres kommt nie vor) Und genau im ROC = Krümmungsmittelpunkt von 2367 mm entstand dann dieses Foto meines künstlichen Sternhimmels, das man mal mit diesem Bericht vergleichen sollte: BeobachtungsPraxis: Astigmatismus - wie groß darf er sein? Hier wird auch gezeigt, wie Astigmatismus auf die Beugungs-Ringe wirkt. Überhaupt wahrnehmen wird man ohnehin nur den Astigma- tismus Z4 / Z5 in dieser Übersicht: Der Zernike Zoo Astigmatismus höherer Ordnung läßt sich am Stern nicht erkennen. Defokussiert man den Interferometer und nimmt die Verkippung (tilt) heraus, dann entstehen solche "ringförmigen" Interferogramme, die die Frage nach dem Astigmatismus ziemlich gut beantworten können: Man kann ihn in seiner Größe besser einschätzen. Das beste Ergebnis liegt also bei ca. L/7 PV wave und deshalb sollte man ihn vernachlässigen. Er wird also nicht ins Gewicht fallen. Der Astigmatismus als optischer Flächenfehler sollte seiner Herkunft nach ebenso analysiert werden, wie die Frage der Toleranz bzw. die Gewichtung ab einer bestimmten Größe. Er ist nämlich der Fehler, der den Strehl-Wert am deutlichsten nach unten drückt, ohne daß damit bereits hinreichende Aussagen zur Qualität eines Spiegels abgeliefert worden sind. You have no rights to post comments