D050 Lichtenknecker MPT 200-2400 - den Astigmatismus ausgetrieben

MPT 200/2400 - den Astigmatismus ausgetrieben                         

Dieser Fernrohr-Typ wurde Anfang der 80-er Jahre von der Firma Lichtenknecker-Optics her-
gestellt. Ein zunächst "normales" Schmidt-Cassegrain-System mit ebener Schmidtplatte und
zwei sphärischen Spiegeln, also der Hauptspiegel als Sphäre und der Fangspiegel in gleicher
Weise. Unter den SC-Systemen eine ausgesprochen glatte Politur, wie sich überzeugend zeigen
läßt. Weniger überzeugend jedoch ist ein fest eingebauter Astigmatismus im Hauptspiegel selbst,
der über den Sekundärspiegel des Systems erst einmal kräftig nachvergrößert wird. So muß man
schon tief in die Trick-Kiste greifen, wenn man den anfänglichen Strehlwert von ca. 0.40
(astigmatismus-bedingt) schließlich auf 0.93 Strehl hochziehen will. Mag sein, daß der ursprüng-
liche Zustand dieses Teleskopes ähnlich perfekt gewesen ist - jedenfalls haben diverse Umbauten,
Umlackierungen und die überflüssige Auskleidung des Tubus innen mit Velour-Filz dazu geführt,
daß nichts mehr stimmte. Noch nicht einmal die Herstellerseitig angegebene Back-Focal-Lenght
von 256 mm bzw. 630 mm Schnittweite,

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Der erste Teil der Optimierung bestand also zunächst in der Analyse der optischen Bauteile und führte sehr
bald zur Zerlegung des gesamten Systems - eigentlich sehr "bastelfreundlich" angelegt und das mag der
Grund sein, warum es den oder die Vorbesitzer offenbar gereizt hat, den optischen Tubus des öfteren zu
zerlegen: Verschlimmbessern nennt man das, wenn sich da einer nicht bremsen kann !

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Das Studium der Einzelteile ist nicht un-interessant: Die HS-Spiegelzelle mit den drei Auflage-Pads außen für
den auf der Rückseite konisch angeschliffenen Hauptspiegel. Ein Überwurf-Ring zentriert den Spiegel, der
lediglich auf diesen Pads ruht. Drei obere "Nasen" hindern den Spiegel am Herausfallen, abgepolstert über
dünne Korkplättchen und man muß sorgfältig aufpassen, daß die Druckpunkte übereinander liegen, sonst
hätte man sofort einen dreieckigen Astigmatismus - habe ich natürlich ebenfalls ausprobiert. Die HS-Zelle
wird als Einheit über Tellerfedern zum Tubus justiert, und da stellt man den Tubus am besten auf einen
großen Planspiegel und zentriert zunächst nur den Hauptspiegel mit dem Tubus, den Rest erledigt man am
besten nur über den Fangspiegel.

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Und weil man Zug um Zug zunächst den Haupt-Spiegel kennenlernen will, wird erst nur die Schmidtplatte
entfernt und kann nun einen ungetrübten Blick in den Tubus und damit auf den Hauptspiegel werfen: Er ist
a) eine Sphäre, wie üblich bei SC-Systemen b) leicht elliptisch bzw. überkorrigiert, was auffällt, und
c) astigmatisch, zu meinem großen Bedauern. Die Überkorrektur erkennt man über Foucault und Ronchi, den
Astigmatismus über ein Interferogramm oder eine ca. 5µ große Pinhole bzw. artificial Sky Pinholes. Im Fokus
bildet sich das bekannte Kreuz und "versaut" die hohe Auflösung, das System wird unbrauchbar für hohe
Vergrößerungen, was mir der Sternfreund in einem Email bestätigt.

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Und weil natürlich eine Spiegelzelle für einen Spiegel auch ein "Marter-Werkzeug" sein kann, habe ich diesen
Spiegel vollends ausgebaut, flach auf eine weiche Unterlage gelegt und mit dem gleichen Sterntest, nun
aber senkrecht, festgestellt, daß der Astigmatismus offenbar fest eingeschliffen ist. Da wäre guter Rat
teuer.

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Der gute Rat beginnt damit, daß man sich die Lage des Astigmatismus erst einmal genauer anschaut, ihn
also so dreht, den Spiegel, daß die astigmatische Figur senkrecht/waagrecht steht. Danach geht es um die
Frage, in welcher Stellung der Astigmatismus stärker bzw. schwächer ausfällt und warum. Es stellte sich also
schnell heraus, daß der Spiegel auch noch leicht in sich zusammenfällt, und in der günstigeren Position
einen Teil des Fehlers kompensiert. Und in diesem Umstand kann man nun nach der Lösung suchen. Man
sieht auf dem Foto den Spiegel in der schlechteren Position - die Markierung ist rechts. Um 90° gegen
den Uhrzeigersinn gedreht, ist dieser Fehler geringer.

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Über den Sterntest-Vergleich läßt sich das sehr gut zeigen. Und hier kommt nun der im dritten Bild erkennbare
Zentrier-Ring ins Spiel. Würde man nun an den beiden gegenüberliegenden Seiten dieses Zusammenklappen
des Hauptspiegels etwas forcieren (zartfühlend bitte), dann läßt sich der Astigmatismus damit beeinflussen.
Der Zentrierring wäre mit ca, 5 mm Wandung einigermaßen stabil - man hat lediglich die Ungewißheit der
termischen Situation in der Nacht - das wird die Erfahrung zeigen.

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Jedenfalls baute ich diese Option erst einmal vorsorglich ein, ohne sie zunächst zu benutzen. Im nächsten
Schritt suchte ich die richtige Position/Drehwinkel von Schmidtplatte und Fangspiegel. Und das pendelt
von dreickigem Astigmatismus bis zu Astigmatismus Zernike Koeffizient #4 / #5 , wobei jedesmal das
System neu justiert werden mußte: Dort wo das Sternscheibchen dünner erscheint, muß analog an der
Justierschraube im Uhrzeigersinn feinfühligst !!! gedreht werden. Also weniger als 1° Winkeldrehung. Dabei
verkürzt sich bei der Rechtsdrehung der HS-FS-Abstand und der Backfokus nimmt zu. Derzeit bei 258 mm
von der letzten Tubusfläche entfernt. Wer genau die intra-/extrafokalen Sternscheibchen studiert, wird
merken, daß die Justage noch nicht ganz stimmt - mittlerweile war ich bereits bei der Beugungsgrenze
angelangt indem ich Schmidtplatte und Fangspiegel in mehreren Varianten gedreht hatte und sich das
Ergebnis schon sehen ließ. Auch die Astigmatismus-Klemme war bereits aktiviert - also möglichst nur
geringer Druck auf die zwei vorher exakt ermittelten Druckpunkte.

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Und weil ich vergaß, die Abstände des Systems auch innen auszumessen, für eine spätere ZEMAX-
Simulation, nahm ich die Schmidtplatten-Einheit abermals heraus und stellte nach erneuter Justage über
den Sterntest fest: Jetzt ist es nahezu perfekt. Besonders im Fokus selbst erscheint das Scheibchen
fast perfekt rund. Und jetzt kann man endlich zurück zu den Tests am Anfang.

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Das Interferogramm schaut jetzt einigermaßen akzeptabel aus. Von Astigmatismus sieht man nur noch
wenig. Dafür kommt jetzt eine leichte Überkorrektur ins Blickfeld - auch die 3-D-Darstellung verrät dies.

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Auch ist jetzt eine Aufnahme mit dem artificial Sky bei 1200-fach möglich und läßt einen schönen Vergleich
zu mit dem drei-eckigen Restastigmatismus der 3-D-Darstellung und der Abbildung im kleinen weißen
Kasten im nächsten Bild unten links, wo sich die Energie in gleicher Weise verteilt. Übrigens jetzt ein
himmelweiter Unterschied zu Bild 4, das den ursprünglichen Astigmatismus eindrucksvoll darstellt - ohne
Nachvergrößerung, und jetzt mit Nachvergrößerung.

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Trotzdem hat man jetzt einen Strehlwert, den man von einem solchen System verlangen kann, besonders
wenn die handwerkliche Ausführung sehr glatte Flächen zeigt, wie im Normalfall bei Maksutovs und höchst
selten bei den handelsüblichen SCs aus Fernost bzw. USA. Siehe deswegen hier.

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Im Überblick die Restfehler des Systems: Leichte überkorrektur und der übliche Gaußfehler, den vor vielen
Jahren ein ganz bestimmter Händler vehement in Abrede stellte.

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Und um den Bericht noch abzurunden schließlich die Systemdaten des Multi Purpose Teleskops 200 /2400.
Dabei hat Lichtenknecker offenbar das Problem der Schmidtplatten-Herstellung geschickt über eine
sphärische Retouche in Richtung Ellipse korrigiert. Nur den Astigmatismus selbst, den hat er sich wohl
dadurch eingehandelt, weil er die Spiegel aufgekittet hatte - so wird erzählt. Das MPT führte in der Folge
zur Flat Field Kamera, mit der vor 30 Jahren wunderbar hochauflösende Fotos möglich wurden.

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Man sollte diese Optik jetzt in Ruhe lassen und weder zerlegen noch daran herumschrauben.