C031 Der schwierige Weg zur Wahrheit ... Streit um Strehl-Werte
Rohr
29.01.2004, 20:29
Der schwierige Weg zur Wahrheit ...
Dieser Thread ist forenübergreifend die Antwort auf einen A...de-Thread, den ich derzeit
dort nicht beantworten kann:
Einem Sternfreund habe ich vor genau einem Jahr einen Spiegel geprüft. Ein INTES 318/1421
Newton-Spiegel von erlesener Qualität. Dieser Spiegel hatte zwar ein Certifikat, aber
... Kontrolle ist besser, und so erstellte ich meine umfangreichen Tests, die sehr genau
Auskunft zu opt. Systemen geben können. Nun erlebt man in der AstroSzene die "professio-
nellen" öffentlichen Zweifler, die Verunsicherer, die "Besserwessis" und wie sie sonst noch
genannt werden mögen. Es ging also ganz einfach um die Qualität des von mir vor einem
Jahr mit Hingabe vermessenen INTES-Spiegel und wie gut denn dieser sei: Bevor ich mich jedoch
in mein meßtechnisches "Unglück" stürze, lassen wir den Besitzer selbst erklären, was dieser
doppelt-certifizierte Spiegel am Himmel kann:
An Jupiter konnte bei ich 274fach und fast ruhigem Bild neben dem
kreisrunden scharfen Schatten von Io auch die Monde endlich mal als runde Scheibchen
sehen. Mit 4 Zoll ging da bisher nix.
Zudem war der GRF und zahlreiche Strukturen, wie z.B. eine
perlenkettenartige Reihe von hellen Wirbeln (?) im dem südlichen Band "hinter" dem GRF zu
sehen. Daneben im hellen Bereich am Äquator leicht dunklere Strukturen und im
nördlichen dunklen Band eine ziemlich dunklerer Fleck und weitere Einkerbung und
Strukturen. Wie du wohl merkst, am Planeten kenn ich mich nicht aus, so dass
ich gar nicht weiß, was ich da alles gesehen habe. Allerdings hätte ich
gerne noch größer vergrößert, vom Seeing her wäre es gegangen. Dafür fehlt mir
aber noch ein passendes Okular.
Am Saturn suchte ich gleich mal nach der Enke-Teilung :-). Das sog.
Enke-Minimum war gut zu sehen, die Cassini Teilung umlaufend schön scharf und
schwarz. Auch den C-Ring hab ich nun endlich erblickt, dafür reichte halt der
bisherige 4-Zöller auch nicht aus. Bei der Enke-Teilung bin ich mir jedoch nicht
sicher. Ab und zu schien sie kurz aufzutauchen, aber ich kann Wunschdenken
nicht 100prozentig ausschließen. Mehr Vergrößerung wäre wohl nötig gewesen.
DeepSky mache ich zwar viel lieber, aber das alles zu beschreiben, wäre
etwas langwieriger. Deshalb nur in kurz (bei 119x und 274x):
- Eskimonebel: Deutlich zweischalig, mit Struktur in der inneren.
- M81/M82: Details in Hülle und Fülle, natürlich vor allem bei M82. Aber
auch M81 zeigt indirekt ihre Spiralarme.
- NGC 891: Dunkelband gut sichtbar, aber wie immer GX etwas blass.
- Andromedanebel: Endlich mal Struktur zu sehen :-). War schon etwas in
aufgehelltem Himmel, als ich beobachtet habe, so dass mir während der kurzen
Beobachtung die volle Detailfülle wie z. B. im DeepSky Reiseführer verschlossen
bleib. Zumindest das nördliche Staubband ist aber sofort und einfach sichtbar.
- Orionnebel: Ohne Worte :-) Überall Nebelklumpen und -fetzen usw. Trapez
bei 119x mit allen Komponenten (A-F) sichtbar.
- Diverse Sternhaufen wie z.B. M35, h und chi, M36, M38 sind auch sehr
schön. Nur das 32mm Okular muss langfristig wohl doch durch ein bessere ersetzt
werden, große Haufen passen nur gerade so in den scharfen Teil des
Gesichtfeldes...
- Doppelquasar QSO 0957+561A/B *bei NGC 3079 (auch sehr schön, mit etwas
Struktur): Dafür muss ich dann doch mal eine Aufsuchkarte zücken :-)
Eigentlich befürchtete ich, nichts zu sehen, der QSO ist schon sehr dunkel.
Aber bei indirektem Sehen kann ich doch zeitweise ein Lichtfleckchen an der
richtigen Position erkennen, dass sogar im Vergleich zu den Sternen etwas
unscharf erscheint.
Mit den eigenen Augen eine Gravitationslinse zu sehen, was will man mehr?
Sterne um die 17m, die in der Karte drinstehen, sind ebenfalls blickweise
sichtbar. Die PGC28990 bei NGC 3079 ist dagegen vergleichsweise leicht sichtbar.
Für mich war es wichtig, gleich mal das Potential dieser Teleskop-Größe
abzuschätzen, damit ich mich nicht wie beim TAL langsam ans Limit rantasten muss.
- M51: Hier wirbelt's ja richtig, sehr schön. Die Spiralarme sind in
einzelne Klumpen zerfallen, dazu noch der ein oder andere Hintergrundstern (?).
- M33: Hier wirbelt's auch, aber blasser. Zudem Himmel schon nicht mehr
optimal. NGC604 ist ein richtig heller Klecks am Ende des einen Sipralarmes, der
andere vertut sich irgendwie wo.
Die ganzen Beobachtungen waren natürlich jeweils viel zu kurz, aber am
Anfang muss man sich ja mal erst nen Überblick verschaffen. *
Besagter INTES 318/1421 wurde also sauber in ein Band ins Gleichgewicht gehängt, auf daß er
sich keinesfalls astigmatisch verformen möge - habe schon viel erlebt. Natürlich ebenso sorgfältig
justiert, wobei aber über die Autokollimations-Anordnung jederzeit Coma ins Spiel kommt, die nun
mit FringeXP wieder herausgerechnet werden darf. Also entstand folgendes Interferogramm, das
ich hier verkleinert habe - für alle, die jetzt mit FringeXP experimentieren wollen!
Wer nun dieses Interferogramm kritisch anguckt, erkennt quer zu den ansteigenden Streifenabständen
einen leichten Astigmatismus, und auf den kann man sich jetzt mit Verve stürzen, besonders wenn man
keine weiteren Interferogramme hat. Also liefern wir noch ein Interferogramm dazu, alle übrigens bei
532 nm wave erstellt, üblicherweise wird jedoch bei 632.8 nm gemessen beim ZYGO oder WYKO,
und gemeinerweise war die Wellenlänge auf dem INTES-Certifikat nicht notiert.
Ich hatte die Interferogramme des edlen Spiegel mit zwei Auswert-Programmen untersucht, die mit
ganz verschiedenen Algorhythmen den Strehl ermitteln.
Bei Interferogramm 1 ermittelte das Kellerprogramm wave-unabhängig einen Strehl von 0.94
Bei Interferogramm 2 ermittelte FringeXP bei 532 nm einen Strehl von 0.933
Bei Interferogramm 3 ermittelte das Kellerprogramm wave-unabhängig einen Strehl von 0.95
Bei Interferogramm 2 ermittelte FringeXP auf 632.8 nm umgerechnet einen Strehl von 0.958
Nun hat Intes seine Meßwellenlänge nicht ausgewiesen weil es üblicherweise bei 632.8 nm
ermittelt wird, also liege ich mit meinen Interferogrammen sehr dicht an dem INTES-Ergebnis
dran: PV 0.170 wavefront, RMS 0.032 wavefront, Strehl 0.96
Das ist nun die Sache der Strehl-Fetischisten, die noch nicht begriffen haben, daß ein hoher Strehl-
Wert einem rauhen Spiegel rein gar nichts nützt. Also befragen wir andere Tests:
Sehr aussage-kräftig ist das mit 13 lp/mm intrafokal erstellte Ronchi-Gramm in Autokollimations
deswegen, weil die Ronchi-Linien eine zonenfreie Parabel ebenso ausweisen mit einem nahezu
perfekten Rand, und eine so homogene und glatte Fläche, wie sie durch die nahezu störungsfreien
Beugungs-Linien zwischen den Streifen dargestellt wird. So schauen die Ronchi-Gramme von
hochleistungs-Spiegeln aus.
Außer einer feinen Wolkenstruktur erscheint dieser Spiegel topfeben. Beim Foucault-Test wird dies
sichtbar, würde man aber den Foucault-Test quantitativ benutzen, kämen sehr hohe PV wavefront
heraus, weil man keine Fläche mißt, sondern nur eine Linie: Die Wolkenstruktur fiele einfach unter
den Tisch, ein möglicher Astigmatismus ebenfalls.
Wenn man abschließend noch den LYOT- oder Phasenkontrast-Test befragt, erkennt man neben
ganz feinen "Rillen" noch eine abgesunkene Kante bei 1-2 mm.
Eigentlich sollte man hochzufrieden sein über einen solchen Spiegel, besonders wenn es auch solche
Gurken aus Deutschen Landen gibt:
Wenn man dann noch weiß, daß sich die Berufsastronomen mit solchen Meßergebnissen zufrieden
geben, dann kehren wir freundlicherweise wieder glücklich zu den oberen Praxis- und Labor-Ergeb-
nissen zurück.
Es braucht also sehr viel Geduld, diese Foren-Diskussion zu ertragen.